Im Rahmen der Netto-Null-Emissionsstrategie der britischen Regierung baut EDF Energy derzeit
zwei neue Kernreaktoren (C1 und C2) am Standort Hinkley Point. Stromag unterstützt das Projekt
mit Spezialbremsen für mehrere Krane auf der Baustelle, einschließlich derjenigen, die die
radioaktiven Uranbrennstäbe aus dem Reaktorkern heben.
EDF baut in der Grafschaft Somerset im Südwesten Englands am Standort Hinkley Point als Erweiterung
C zwei Kernreaktoren (European Pressurized Reactor, ERP). Nach ihrer Fertigstellung werden die
modernen Druckwasserreaktoren der dritten Generation rund sechs Millionen Haushalte mit sauberer
Energie versorgen.(1)
Der Bau eines Kernkraftwerks ist ein Großprojekt, an dem zahlreiche Baumaschinen beteiligt sind,
insbesondere Schwerlastkrane. Gleich mehrere an dem Projekt beteiligte Kranhersteller haben bei
Stromag spezielle Bremssysteme bestellt, die die für diese streng regulierte Anwendungsumgebung
erforderliche Leistung und Zuverlässigkeit mitbringen.
Experte für Nuklearkrane
Stromag ist ein weltweit tätiger Hersteller von Hochleistungsbremssystemen für Krane und Hebezeuge.
Als führende Marke der Altra Industrial Motion Corporation kann das Unternehmen eine Erfolgsbilanz für
seine Bremssysteme für nukleare Anwendungen vorweisen.
Michel Donnay, Werksleiter des französischen Stromag-Werks in La Guerche-sur-l'Aubois, erläutert:
„Unsere Bremstechnologien haben sich in kerntechnischen Anlagen in Europa und Asien bereits bewährt.
Wir haben viel Erfahrung mit Projekten zum Bau dieser neuen EPR-Generation. Deshalb haben die
Kranhersteller die Bremsen für die Krane zum Aufbau des Maschinenparks und der Pumpstationen für
Hinkley Point C bei uns in Auftrag gegeben. Die primäre Herausforderung war jedoch die Spezifikation
diverser Bremssysteme für den Transport und die Positionierung der Brennstäbe – die wichtigsten Krane
der gesamten Anlage."
Die wichtigste Hebeaufgabe im Kernreaktor
Bremstechnologien von Stromag haben sich in kerntechnischen Anlagen in Europa und Asien bereits
bewährt.
Im Reaktorkern erzeugen Uranbrennstäbe durch Kernspaltung Wärme. Wie alle Brennstoffe sind auch die
Brennstäbe irgendwann erschöpft und müssen ersetzt werden. Hierfür ist die Brennelementewechselanlage im
Reaktorgebäude zuständig.
Das Herzstück dieser Anlage sind Schwerlastkrane, die die abgebrannten Brennstäbe aus dem
abgeschalteten Reaktor heben und in ein separates Abklingbecken absenken. Anschließend werden neue
Brennstäbe in den Reaktorkern eingesetzt, und die Kernspaltung kann aufs Neue beginnen. Das Heben
schwerer, radioaktiver Uranbrennstäbe ist ein äußerst risikobehafteter Prozess, der von den
Antriebskomponenten an den Kranen ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit und Redundanz verlangt.
Am Standort Hinkley Point C übernimmt diese Aufgabe ein großer Rundlaufkran im Inneren des
Reaktorgebäudes. Der für eine Hubkapazität von 300 t ausgelegte Kran kommt ein- bis zweimal im Jahr
zum Einsatz. Um sicher zu sein, dass der Kran mit maximaler Zuverlässigkeit und Sicherheit stoppt,
wählte der Kranhersteller Stromag als Zulieferer für die Betriebs- und Nothaltebremsen in seiner
Konstruktion.
Betriebs- und Notbremsen
„Der Kran im Reaktorgebäude hat zwei Bremssysteme", erklärt Jonathan Balland, Area Sales Manager bei
Stromag. „Die Betriebsbremsen übernehmen die Bremsvorgänge im Normalbetrieb des Krans. Diese
Komponenten sitzen für gewöhnlich auf der schnellen Welle. Die Notbremsen sind an der Trommel angebracht
und stoppen die Last sofort, wenn sie aus irgendeinem Grund plötzlich fällt."
Stromag lieferte Bremsen, Kupplungen, Endschalter, hydraulische Versorgungseinheiten und
Überwachungssysteme.
Als Betriebsbremse spezifizierte Stromag die elektromagnetischen Scheibenbremsen der Baureihe C. Die unter
normalen Betriebsbedingungen für mehr als vier Millionen Bremsvorgänge ausgelegte elektromagnetische
Bauweise schließt jegliches Risiko einer undichten Hydraulik aus und garantiert maximale Zuverlässigkeit. Die
Bremse wird nur gelüftet, wenn die entsprechende Spannung angelegt wird. Ansonsten bleibt sie geschlossen.
Anschließend ist nur ein geringer Erhaltungsstrom erforderlich, um die Bremse gelüftet zu halten, was einen
geringen Energieverbrauch im Betrieb gewährleistet.
Als Nothaltebremsen werden hydraulische Bremsen bevorzugt, weil sie ein höheres Bremsmoment erreichen.
Während die größten elektromagnetischen Bremsen der Welt eine Klemmkraft von bis zu 10 t erreichen
können, kennen hydraulische Bremsen in dieser Hinsicht fast keine Grenzen. Es gibt Bergbauanwendungen die
Klemmkräfte von bis zu 100 t erreichen. Diese Extremleistung ist für den Rundlaufkran von Hinkley Point C
essenziell, denn sie gewährleistet, dass die schweren radioaktiven Brennstäbe sicher gestoppt werden können.
Stromag spezifizierte für diese besonderen Anforderungen die hydraulischen SH-Scheibenbremsen.
„Das Wichtigste bei Notbremsen ist, dass sie die Ladung möglichst schnell stoppen. Unsere SH32 erreicht 32 t
Klemmkraft, und das mit einer Schließzeit von unter 0,3 Sekunden. So minimieren wir im Falle eines Absturzes
der Ladung den Bremsweg. Die Bremssysteme müssen gegebenenfalls in der Lage sein, 300 t Last auf einer
Strecke von 50 cm zu stoppen."
„Für derart sensible Anwendung wie den Rundlaufkran für Hinkley Point C müssen wir außerdem zusätzliche,
redundante Klemmkraft liefern. In diesem Fall haben wir dafür die Bremse doppelt ausgelegt. Wenn eine Bremse
aus irgendeinem Grund ausfällt, hat die andere genug Leistung, um die Last zum Stillstand zu bringen", fügt
Jonathan Balland hinzu.
Außer den Bremsen lieferte Stromag auch Kupplungen, Endschalter, hydraulische Versorgungseinheiten und
Überwachungssysteme.
Anspruchsvolle Vorgaben
Stromag gewährleistet die Eignung seiner Bremssysteme für alle Kundenanwendungen durch rigorose Tests
und Modellierung. Allerhöchsten Standards müssen dabei die Bremssysteme für die Nuklearindustrie
genügen.
Michel says: „Als Spezialist für kerntechnische Anwendungen sind wir nach den höchsten Qualitätsstandards
akkreditiert. EDF hat unsere entsprechenden Produkte als C3 zertifiziert, d. h. dass sie für den Einsatz in allen
Gebäuden eines Kernkraftwerks geeignet sind. Wir arbeiten mit Kundenbefragungen, unabhängigen Beratungen
und Bewertungen, um unsere kritischen Aktivitäten zu definieren und um nachzuweisen, dass alle Aspekte
unserer Engineeringleistung korrekt ausgeführt werden. Die Qualitätsdokumentation, die zu unseren Produkten
für Kernkraftwerkskrane gehört, umfasst im Schnitt ca. 1000 Seiten."
„Das gesamte Engineering findet intern in unserem Werk in Frankreich statt, aber wir bieten den Kranherstellern
auch Support vor Ort an ihren Fertigungsstandorten an. Wir gehören zu den ganz wenigen Unternehmen
weltweit, die derartige Bremssysteme für sensible nukleare Anwendungen liefern können."